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Simone Boley

Ich muss mein eigenes Lebenstempo finden

„Meine erste Pilgertour war 2003“, berichtet Simone Boley mit strahlenden Augen: „Mit meiner Gruppe bin ich die letzten 160 km nach Santiago gelaufen. Für mich war dies ein ganz tiefgreifendes Erlebnis, das mich mit dem Pilgervirus infiziert hat.“

Ich darf mir nicht von anderen mein Tempo vorschreiben lassen

Seit ihrer Premiere vor knapp 20 Jahren leitet Simone Boley mit großer Leidenschaft ganz unterschiedliche Pilgergruppen an: „Ich musste mit einem gewissen Gottvertrauen losgehen, dass wir mit 13 Personen jede Nacht eine Herberge finden, weil man nicht vorab reservieren kann.“

Über die Jahre hat sie auf mehrwöchigen Touren den kompletten Franziskusweg, aber auch den Lutherweg erwandert. In diesem Jahr will sie auf dem Pfaffenwinkelweg in Oberbayern und „Auf den Spuren starker Frauen“ unterwegs sein.

„Ich habe gelernt, dass ich in meinem eigenen Tempo gehen muss“, berichtet Simone Boley: „Das lässt sich auch auf das eigene Leben übertragen. Als Gruppe warten wir aufeinander, damit die Langsamen nicht das Gefühl haben, gehetzt zu werden und die Schnellen nicht gebremst werden.“

Aus der Schnelllebigkeit in die Langsamkeit

Simone liebt es die Routen zu organisieren. Gleichzeitig hat sie über die Jahre gelernt, dass es auf jeder Pilgertour auch zu überraschenden Begegnungen kommen kann: „Man trifft Menschen aus aller Welt, gleichzeitig muss sich jeder bewusst sein: Wir sind als Pilger auch Repräsentanten unseres Landes.“

In Spanien wollte sie mit der Gruppe in der Mittagszeit einen kleinen Lebensmittelladen besuchen, der im Pilgerführer genannt wurde. Doch als sie ankamen, war der kleine Tante-Emma-Laden geschlossen. Auch in der einzigen Bar standen sie vor verschlossenen Türen. Simone suchte nach einer Lösung, der nächste Ort war 10 km entfernt und alle Pilger hatten Hunger.

Plötzlich kam Bewegung in die Gruppe: „Wir holten aus dem Rucksack alles heraus, was wir dabeihatten und packten es auf den Tisch. Da gab es Kekse, Oliven, Salami, Schokolade und fingen an, alles miteinander zu teilen. Obwohl wir nichts hatten, wurden alle satt und wir hatten noch etwas übrig.“

Simone Boley empfindet diese ungeplanten Überraschungen als Geschenk: „Eine Holländerin hat uns ganz plötzlich eine Herberge angeboten, Kaffee gekocht und der gesamten Gruppe ihren Kuchen serviert. Wir haben sie später immer unseren holländischen Engel genannt.“

Warum gehen Menschen pilgern?

Auf den Touren von Simone gehen Menschen aus allen Konfessionen mit, aber auch Pilger, die nicht gläubig sind. „Sie bekommen einen geistlichen Impuls von mir, den sie in einer klassischen Gemeinde nicht hören.“

Viele schätzen diese besondere Mischung aus Spiritualität in der Natur, verknüpft mit Bewegung und Verkündigung. Von Februar an bietet sie jeden zweiten Dienstag „Pilgern im Alltag“ an. Ein Angebot, das im Rhein-Main-Gebiet rund um ihren Wohnort Hofheim im Taunus gerne angenommen wird.

„Wir laufen vom Frühling in den Sommer, von der Dunkelheit ins Licht.“ Simone berichtet, wie sich die Teilnehmer bei den ersten Touren über eine warme Badewanne freuen und im Sommer über eine kalte Dusche.

Im September bietet sie jedes Jahr vier Ertappen speziell für Senioren von 68 bis 82 Jahren an, diese Touren sind nie länger als 10 Km. Ihre Arbeit nennt sie „Caminando“ – in Anlehnung an das spanische Wort für „Unterwegssein“. Doch das Portfolio umfasst auch Seminare zur Biografiearbeit, Kreatives Bibliodrama und Abende zum hörenden Gebet.

Wie Gott in schwierigen Situationen versorgt

Von 2007 bis 2021 ist Simone Boley mit ihrem Mann Hans in jährlichen Etappen von Miltenberg am Main durch ganz Deutschland bis Konstanz gepilgert. Dann durch die Schweiz bis zur französischen Grenze. Ihr gemeinsames Ziel: Auf dem „Camino del Norte“ von Hendaye bis

Finistere dem sogenannten „Ende der Welt.“ Doch ihre gemeinsame Reise endete nach 14 Jahren in Vilalba – nur 119 km von Santiago entfernt.

Hans Boley starb überraschend im März 2022, der gemeinsame Pilgerweg blieb unvollendet. Ob und wann sie diese Tour noch gehen wird, weiß Simone heute nicht. Doch sie spürt, wie ihr starker Glaube sie auch durch diese schwierige Zeit der Trauer trägt.

Dazu passt für sie auch eine außergewöhnliche Begegnung auf dem Münchner Jakobsweg: „Als Gruppe wollten wir uns gerne im Schatten der Kirche hinsetzen. Doch es gab keinen Platz. Deshalb mussten wir weiterziehen.“ Simone berichtet, wie bei 30 Grad plötzlich ein Friseurladen aufging. Die Inhaberin kam heraus und fragte: „Was sucht ihr denn?“ – „Ganz einfach: Einen schattigen Platz!“

Für die Herzensbildung der Menschen arbeiten

Daraufhin lud die Friseurin die Gruppe zu sich ein: „Kommt in meinen Salon, dort könnt ihr eure Wasserflaschen auffüllen.“ Anschließend hat sie alle Pilger in ihren Garten eingeladen und dort Kaffee und Kuchen serviert.

Doch die Geschichte nahm eine weitere Wendung: „Die schwangere Tochter der Friseurin kam zu uns und fragte, ob wir eine religiöse Gruppe sind? Als wir das bejaht haben, hat sie uns gefragt, ob wir für sie und ihr noch ungeborenes Kind beten würden. Das haben wir sehr gerne gemacht.“

Zum Schluss unseres Gesprächs berichtet sie von einem Freund, der einen zentralen Satz über ihr Leben gesagt hat: „Simone, du arbeitest für die Herzensbildung der Menschen.“ Dieser Ausspruch ist für sie zum Motto geworden: „Ich will mich auch in den kommenden Jahren dafür engagieren, dass sich in den Herzen der Menschen etwas bewegt.“

https://www.caminando-unterwegs.de